Feuerzangenbowle in einer Ferienwohnung. Ich sitze mit netten Menschen, von denen ich allein den Gastgeber kenne, um einen Topf herum und starre auf brennenden Zucker. Im Schein des Feuers sehe ich meine Zukunft und gehe im Geiste nochmal die Reiseapotheke durch. Kopfschmerztabletten?
Weil ich es für höfliche Konversation halte, frage ich nach der landschaftlichen Herkunft der dampfenden Plörre und bekomme den Namen eines deutschen Discounters entgegengeworfen. Ehrlich? Ihr fahrt fast tausend Kilometer in den Urlaub und transportiert Rotwein in ein Weinland? Damals sagte keiner sowas wie: Echt? Die Schweiz ist ein Weinland? Die korrekte Antwort lautete einfach 49 Pfennig. Weil es in der Schweiz keinen Wein für 49 Pfennig gibt.
Ich war damals jung und ignorant, aber auch ein bisschen fassungslos. Heute bin ich eine alte Schachtel, die ganz genau weiß, dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll. Wer unbedingt abhängig von billigem Wein ist, muss von mir keine Kritik fürchten. Das beruht vielleicht auch darauf, dass die ganz klar erwarteten Kopfschmerzen damals überraschend ausblieben.
Alle anderen, die ein paar Euros in die Schweiz schaffen möchten, um sie in Wein anzulegen, denen sage ich viel Vergnügen voraus. Die Schweiz ist tatsächlich ein tolles Weinland. Jenseits des Bodensees gibt es unglaubliche Vielfalt und reiche Genüsse zu entdecken.
Leider fällt mir das Schreiben unendlich schwer, wenn es um Wein geht. Meist sehe ich mich einfach nicht in der Lage, all das auszudrücken, was in dieser Essenz aus Landschaft, Boden, Trauben, Tradition und Winzerarbeit drin steckt. Es ist ein bisschen so wie mit Teenieabenteuern oder dem Witz, den neulich ein Bekannter so unwahrscheinlich toll erzählt hat. – Man muss eben dabei gewesen sein.
Trotzdem lasse ich mich auf das Abenteuer ein und gebe den Blick frei, auf ein ganz besonderes Tröpfchen von einem besonderen Winzer. Adolf Boner keltert den Completer, denn dafür ist er berühmt. Diese Rebe ist alt und sehr selten. Nur wenige Flaschen werden jedes Jahr in der Bündner Herrschaft abgefüllt.
Obwohl man Adolf Boner kaum nennen kann, ohne den Completer zu erwähnen, soll es hier um ein anderes Schätzchen gehen, das mir vor wenigen Tagen kredenzt wurde. Trockenbeerenauslese, Pinot-Noir aus Malans, 1983. Kostete damals etwa 38 Schweizer Franken und lag seit dieser Zeit in einem Keller auf 1300 Meter Höhe, zwischen Skistiefeln und anderem Gerät.
Tja, und das war nun wieder so ein Ereignis, das ich kaum beschreiben kann. Alte Weine zu probieren ist nicht immer ein Vergnügen. Doch dieser Wein hatte Tiefe und Komplexität, wie sie nur große Weine haben. Die Säure kam immer noch schön zum Vorschein, und jeder Schluck lag schwer auf der Zunge wie ein Sauternes. – Pures Glück im Glas! Vielleicht habe ich beim nächsten Mal das Glück, einen Completer probieren zu dürfen...
Vielen Dank an Robert von Lamiacucina, der diese Weinrallye ausrichtet.
Herzliche Grüße in die Schweiz!!!
Noch Durst? – Viva la Grischa!
Swiss Wine, Dôle 2003, Mayer Weinimport, CH-5615 Fahrwangen / Heidi Wii, von Salis, Maienfeld
Bündner Pinot Noir, Cottinelli, Malans / Riesling-Silvaner, Graubünden AOC, Volg
4 Antworten zu “Echt? Ein Weinland?”
schoen zu lesen, deine geschichte. und das ist (leider) selten bei Weingeschichten!
Danke für deine schön erzählte Geschichte. Von Boner kenne ich nur die gängigen Pinot noir. Da werd ich mich mal nach einem Completer umsehen. Raritäten hortest Du inmitten deiner Skiausrüstung !
Vielen Dank, Ihr Lieben! @Robert: Es handelte sich nicht um meinen Skikeller und auch nicht um meinen Wein. – Ich durfte ihn nur trinken :o)
Jetzt ist gut, jetzt kümmer ich mich mal um Schweizer Weine…