Ich erzähl dir mein Essen…


Stippvisite im Mittelalter


Immer wenn ich Hering esse, muss ich an meine Vorfahren denken. Ich stelle mir vor, wie sie im mittelalterlichen Köln ein Fass mit Salzheringen begutachten und dann einige Fische nach Hause tragen. Welch eine Freude, einmal etwas anderes zu essen, als immer nur Getreidebrei (was damals das übliche Essen für alle war).

In der Ostsee gingen riesige Heringsschwärme den Fischern ins Netz. Der Fang wurde nach Lübeck gebracht und dort durch Trocknen oder Salzen haltbar gemacht. Lübecker Händler versahen die Ware mit einem Zeichen, damit jeder in der Welt sehen konnte, dass es sich um Qualitätsware aus Lübeck handelte. Mit diesem Label traten Heringe und andere Leckereien ihre Reise in die Welt an. Auch das Salz zum Konservieren der Fische, das aus Lüneburg kam, war gekennzeichnet. Doch damit gelangte die Ware maximal bis Köln. Denn die Hansestadt am Rhein ließ erst einmal alles entladen und auspacken, was hier ankam.

Fische und Muscheln aus Holland, Heringe aus der Ostsee, sogar das Salz aus Lüneburg, alles wurde im Fischhaus am Rhein gestapelt, weswegen dieses Haus in späterer Zeit auch Stapelhaus genannt wurde. Hier nahmen die Kölner alles unter die Lupe und machten von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch.

Wenn es an der Ware nichts zu bemängeln gab, dann bekam sie ein neues Label. Lübecker Heringe und Lüneburger Salz wurden mit drei Kronen versehen, wie sie heute noch im Kölner Stadtwappen zu finden sind. Ab diesem Zeitpunkt handelte es sich um “Kölner Heringe” und “Kölner Salz”. – Topware aus einer ertklassigen Metropole also!

Man kann jetzt an Raubrittermethoden denken oder man sieht eben ein, dass der Zwischenhandel ja auch leben muss. Im globalisierten Mittelalter war das nicht anders.

Was meine Vorfahren aus ihren Heringen gemacht haben, weiß ich nicht. Mit Sicherheit kannten sie noch keinen Heringsstipp, keinen Sahnehering oder Hering nach Hausfrauenart. Das kam alles viel später.

Obwohl es gute Fertigprodukte gibt, die nichts anderes enthalten, als das, was ich auch reintun würde, mache ich den Heringsstipp gerne selbst:

Mayo bereiten, aus 1/8 Öl, Senf, Eigelb, Salz, Zucker, Weinessig.

1 Becher Saure Sahne unterrühren und nochmal abschmecken.

1 Apfel in Spalten und dann in fächerartige Scheibchen schneiden.

1 Zwiebel in Streifen schneiden. Eingelegte Gurken (etwa die selbe Menge wie der Apfel) in Scheiben schneiden. Bismarckhering abtropgen lassen und in Stücke schneiden. Alles miteinander mischen und ein paar Stunden durchziehen lassen. Dazu schmecken Pellkartoffeln, Röstkartoffeln, Bratkartoffeln…


7 Antworten zu “Stippvisite im Mittelalter”

  1. Aber erst kamen die Heringe hier vorbei 🙂 Und ich weiß jetzt, was es heute mittag gibt… ich habe noch eingefrorene Matjes

  2. Ja, was ein Glück, dass das Stapelrecht heutzutage auch in Tiefkühltruhen gilt. Guten Appetit!

  3. deshalb ist die Schweiz so teuer, bis alle die Waren aus- und umgeladen, begutachtet, neu gestempelt, wieder verladen sind und bei uns anlangen.

  4. Ja, das waren Zeiten – und heute kriegen wir alles überall und immer… Zumindest fast…

    Und Kartoffeln gab's damals gar keine. Trotzdem, der Heringsstipp sieht lecker aus!

  5. @lamiacucina: Na klar! Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen! :o)
    @Barbara: Vielen Dank, war tatsächlich lecker. Bis auf die Grundzutat, die damals ganz sicher nicht die heutige Qualität hatte, wenn sie in Köln ankam, waren solche Speisen gänzlich unbekannt. Das Essen im MA war normalerweise kein Spaß.
    Kartoffeln gab es schon, – nur nicht in Europa ;o)

  6. Das mit den Heringen wusste ich noch gar nicht, aber ich bin ja auch keine echte Lübeckerin.

  7. Lecker! Hering nach Hausfrauenart war das einzige, was ich zu Studentenzeiten in der Mensa wirklich gerne gegessen habe. Muss ich unbedingt mal wieder auf den Speiseplan setzen!

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