Ich erzähl dir mein Essen…


Pastasciutta goes Napoli und zurück – Food Camp Cilento


Mitten in der Nacht komme ich aus dem Kölner Hauptbahnhof und stelle fest, dass ich wieder zu Hause bin. Im Schatten des Doms drücken sich finstere Gestalten herum und die Stadt ist still wie ein Friedhof. Neapel ist anders um diese Zeit, denke ich, und steige in ein Taxi. Der Fahrer ist zum Glück wacher als ich. Während der freundliche Wagenlenker meine Navigationstipps ignoriert, fragt er nach Details der Reise. Neapel? Zum Kochen? Ein Kursus? – Nein, nicht ganz. An Neapel durfte ich nur kurz schnuppern. Neapel ist ein Abenteuer. Danach ging es weiter ins bezaubernde Cilento, ans Meer, nach San Marco di Castellabate

San Marco liegt Castellabate zu Füßen.

Gekocht habe ich dort tatsächlich. Was zum Beispiel? Der iranische Fahrer würde Tintenfisch mit Knoblauch und Tomaten machen, sagt er, ganz klar. Aber er hat noch nie welchen gegessen. Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Wahrscheinlich bin ich nur noch ein willenloses Opfer meiner Müdigkeit. Seit ich in Frankfurt den ICE davonrauschen sah, während ich telefonierte, ist mir sowieso alles egal.

Das Glück war auf meiner Seite an dem Tag, als ich vom Food Camp Cilento erfuhr. Da wollte ich unbedingt hin, auch wenn ich keinen Schimmer hatte, worum es sich handelte. Leute aus dem Internet, die sich in Süditalien treffen, um irgendwas mit Essen zu machen. Florian Siepert hat sich alles ausgedacht und Genaueres erfahren wir später. Mehr wollte ich gar nicht wissen. Hauptsache, ich darf dabei sein. – Und nun?

Nun bin ich zurück aus dem Paradies und kann nicht sagen, was ich da erlebt habe. Noch immer denke ich, das gibt’s doch gar nicht. So unglaublich gutes Essen, Menschen mit Leidenschaft und Lebensart und als Kulisse ringsum Italien. Das Cilento gibt sich alle Mühe, jedem Klischee von Bilderbuch-Italien zu entsprechen. 

Dazu gehört, dass jeder Italiener einem in die Augen sieht und strahlt. Mach dann noch irgendwas mit Essen und Du hast wahlweise einen Freund gewonnen oder eine Diskussion am Hals. Mangiare ist hier einfach wahnsinnig wichtig. Beim Metzger gibt es das Acqua naturale geschenkt, weil wir gerade fünf Kilo Schweinebraten gekauft haben. An sich ist es ja schon ein Geschenk, in so einem winzigen Ort solches Fleisch kaufen zu können, saftig, schmackhaft und absolut schrumpffrei. Mehr will ich doch gar nicht, weder hier noch woanders.

Foto: Daniela Haug

Zu Diskussionen provoziert dann eher der 1,5 kg schwere Tintenfisch, der frisch aus dem Meer direkt in unserer Küche landet. Foodcamper haben ihn vor wenigen Augenblicken selber gefangen! Zum Glück durfte ich am Abend zuvor schon mit kleineren Tintenfischen üben, bevor Littlejamie gemeinsam mit mir das Tier zu Boden ringt. In Wirklichkeit ist der Kalmar bereits tot, auch wenn er uns mit seinen glänzenden silbrigen Augen anstarrt, als hätte er so eine Ahnung. Selbst nachdem der Kopf vom Mantel getrennt ist, saugen sich die Tentakel noch sehr effektvoll fest. Dann ist plötzlich alles schwarz. Unsere Hände, der Tintenfisch, sämtliche Messer und eigentlich alles ist in Sepiatinte getaucht. Man glaubt gar nicht, wieviel Tinte da drin ist! Einen Teil davon fangen wir auf und geben ihn dem Pasta Team, das daraus wunderbar schwarze Farfalle bereiten wird.

Wir beenden unsere Mission auf der zauberhaften Dachterrasse des Hotels. Dort steht die Grillplatte, auf der wir das Tier zubereiten. Der Hoteldirektor schaut mir skeptisch über die Schulter. Als sich herausstellt, dass der Tintenfisch wirklich nur mit Zitrone, Salz und Knoblauch gewürzt wird und keinesfalls mit Weißwein, muss der Meister den Ort des Frevels verlassen. Wahrscheinlich möchte er nicht unhöflich werden.

Wir begehen unseren letzten Food Camp Abend mit acht Gängen, die vorwiegend aus Pasta bestehen. Die Wehmut, diesen gesegneten Ort schon am nächsten Tag verlassen zu müssen, verführt mich zum Alkohol. Zum Glück ist reichlich Wein vorhanden und in der Nacht erreicht mich auch noch ein Glas mit venezolanischem Rum. Den Abschied von San Marco und vom Food Camp macht das nicht leichter.

Vielleicht erkläre ich an dieser Stelle später noch, was Food Camp eigentlich ist. Ich möchte nur nicht länger damit warten, mich zu bedanken. Bei Florian Siepert, der wie eine Mutter zu uns war und eigentlich den Nobelpreis für fabelhafte Ideen und Organisation verdient hat. Bei ausnahmslos allen Teilnehmern des Food Camps Cilento bedanke ich mich für ihre inspirierende Anwesenheit und ihre angenehme Gegenwart. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass es mir Spaß machen könnte, mit so vielen Leuten gemeinsam zu kochen. – Ihr seid alle phantastisch! Besonders bedanke ich mich auch bei Stevan Paul, der auf so zauberhaft freundliche Art jeden unterstützt und motiviert, der an seiner Seite das Messer schwingt. DANKE EUCH ALLEN!

Mehr zu diesem verfressenen Wahnsinn:

Einfach nur Hartweizen und Wasser, 100% italienisch, von pastasciutta

FOOD CAMP CILENTO, von Stevan Paul

Food Camp Cilento: 50 confierte Eigelbe, gefüllter Schweinebraten und eine Pasta-Party, von Paul Fritze

Foodcamp Cilento Tag 2, Pompeji, abends mit einigen, von Monalisa

Foodcamp Cilento, Tag 1, ohne alle, von Monalisa

Foodcamp Cilento: The Wrap up, von Florian Siepert

Niemals würde ich mich ohne Littlejamie an einen Tintenfisch wagen! Hier ist ihr Bericht: È un universo tutto ancora da scoprire*

Erste Impressionen, Foodcamp Cilento, von Florian B.


A Foodies Dream – Part Two: On the Way to Food Camp Cilento, Italy, von Fabienne Dauplay


Days of Food’n Glory – Foodcamp Cilento, Teil 1 bei Glasklare Gefühle


21 Antworten zu “Pastasciutta goes Napoli und zurück – Food Camp Cilento”

  1. Erzähl mir noch einmal, dass du deine Texte während des Essens so nebenbei in die Tasten hackst! Du bist eine fantastische Reiseaturorin, Nata!! Jetzt ist mir ganz weh ums Herz! 😉

  2. @Sophie: Dieses Mal habe ich dabei getrunken und schon vorher gegessen. Und wir wissen beide, dass Du gerne aus weitaus mehr Gründen als nur Reiselust dabei gewesen wärst ;o)

    Aber ich bedanke mich sehr für das freundliche Kompliment aus berufenem Munde. Du bist wirklich ein Schatz!

  3. Ach, ich weiss noch als du davon erzählt hast und jetzt ist es schon wieder vorbei! Zum Glück hast du dieses schöne Blog, und ich kann auch daran teilhaben.

  4. Wow, vergeht die Zeit – mir geht's ja wie Zorra, das klang noch so weit hin und jetzt bist Du schon zurück…

    Klingt ja aber superinteressant! Bin gespannt auf weitere Berichte. 🙂

  5. @kochessenz: Ich beneide mich selbst um diesen Trip. Und ich kann es noch immer ncht glauben, dass ich wirklich dabei war.

    @Dzoli:Danke. Letztlich bin ich selber froh, hier eine Möglichkeit zu haben, alles aufzuschreiben.

    @SchnickSChnackSchnuck: Was für'n Sommer?

    @zorra: Ja, die Zeit ging rum wie nix. Aber im Internet lebt das Food Camp jetzt ewig.

    @Barbara: Ich kann es kaum erwarten, mehr darüber im Netz zu finden. Aber ich bin auch noch nicht sicher, was ich selber noch darüber schreiben will.

  6. freut mich sehr, die ersten internetdinge auftauchen zu sehen. wahnsinnig schade, dass die zerlegung des sepia an mir vorbeiging, sieht irre aus. mutter siepert grüßt!

  7. Oh Mensch, das hört sich fantastisch an! Toll! Ich hoffe, es gibt noch mehr zu lesen und zu sehen davon 🙂

    In Castellabate war ich vor ca. 20 Jahren auch mal mit meinen Eltern im Urlaub, ein wunderschönes Fleckchen Erde! Und dann noch die kulinarischen Genüsse – ein Traum!

    Viele Grüße und schöner Tag noch,
    Juliane

  8. Wow, das klingt so spannend, aufregend, lehr- und erfahrungsreich….toll!

    Liebe Grüße,

    ~Lilly

  9. dieser Sepia… HIMMLISCH wäre vielleicht ein Wort dafür. und für die katholische Bloggerin vielleicht gar nicht mal so untreffend.

    diese glänzenden silbrigen Augen des Tieres erinnere ich noch zu gut. als er damit aus dem Wasser geschlüpft ist – ich hätte ihn sehr gerne wieder zurück entlassen (aber es war weder meine Angel noch hätte ich gewusst wie…)

    dennoch bleibt die Frage, ob ich in meinem Leben noch einmal so köstlichen Tintenfisch essen werde.

    das – und der ganze Rest… irgendwie wirklich eine paradiesische Erfahrung…

    Dein neuer Blog-Fan

  10. Danke für´s Mitnehmen, sehr schöner Bericht! Dieser Tintenfisch ist der Hammer, sowas allein auf einem Foto zu sehen – wo bei uns ein Tütchen echte Sepiatinte nur ganz ganz selten zu bekommen ist, und dort ist alles so natürlich und pur.

  11. @Christina: Die Zutaten waren ein Traum. Ich weiß nicht, ob ich je noch einmal so frisches Fischzeug in den Händen haben werde…

  12. Du hast die letzten sommerlichen Tage in Deutschland verpaßt. 😉 (Neidisch bin ich trotzdem auch. Danke für den Bericht.)

  13. @Ursula: Vielen Dank für das große Lob.

    Es handelt sich lediglich um meine ersten Eindrücke, unmittelbar nach der Reise. Die von mir verlinkten Beiträge der anderen Food Camper sind deutlich strukturierter und vollständiger.

    Pastasciutta.de ist zur Zeit mein einziger Blog und es handelt sich um ein reines Spaßprojekt.

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