Ich erzähl dir mein Essen…


Teller, Töpfe, Krüge und ein Löffel


Der Löffel! Beinahe hätte ich das Löffelchen vergessen! Dabei habe ich mich doch so gefreut, dass ich ein Souvenir aus Ingelheim mitnehmen durfte, als ich Arthurs Tochter im Sommer besuchte. Nun tauchen seit gestern verstärkt diese Holzrührgeräte in allen Blogs auf und ich wundere mich noch… Na, klar! Heute ist ja Abgabeschluss!

Woher kriege ich denn jetzt noch eine geeignete Kulisse? Kurz ziehe ich in Erwägung einen Wikipediaeintrag selber zu schreiben. Aber mir fällt nichts Berühmtes ein, was ich erfinden und mit dem Löffel ablichten könnte.

Aus meiner Stadt kommen der Löffel und ich heute nicht mehr weg. Also überlege ich, was hier so berühmt sein könnte, dass die Welt es kennt. Da fällt mir nur das Marienfeld ein. Aber so ein zugeschüttetes Loch sieht halt bei Dunkelheit nicht gerade einzigartig aus.

Bleibt also nur der Bartmannskrug. Einer alten Sage nach, soll der Krug an die Ereignisse erinnern, die einst zur Gründung der Stadt Frechen beitrugen.

Ein junger Töpfer namens Ulrich* hatte Köln den Rücken gekehrt, um westlich der großen Stadt einen neuen Ort zum Leben zu suchen. Auf dem Weg begegnete ihm ein kleines bärtiges Männlein, das ihn ansprach: Hey, sach mal, Du bist doch sicher ein Töpfer? 

Klar, sagte Ulrich.

Das Männchen schlug einen eigenartigen Deal vor. Angeblich hatte es eine Randale gegeben, bei der Unmengen von Geschirr zerschmissen wurden. Natürlich trugen daran böse Menschen schuld und das Männlein konnte nichts dafür. Plastikteller waren damals noch nicht erfunden, daher musste dringend neues Steinzeug her. – Und wer könnte das besser bewerkstelligen als der gute Meister Ulrich?

Erstklassiger Ton zum Töpfern war reichlich vorhanden und auch eine Hütte, in der Ulrich leben und arbeiten konnte, stellte der kauzige Kerl zur Verfügung. So ging der Töpfer auf den Handel ein und akzeptierte auch die reichlich dubiosen Zahlungsmodalitäten. Alles ohne Rechnung, flüsterte der kleine Kerl. Stell die Teller und Pötte einfach vor die Tür. Wir holen es nachts ab, und lassen den Zaster da. Aber lass Dich nicht blicken, wenn wir kommen und sperr die Lauscher auf Durchzug.

Okay, von mir aus, sagte Meister Ulrich und machte sich an die Arbeit. 

Das Geschäft zwischen den beiden entwickelte sich großartig. Das Steinzeug war von allerbester Qualität und der Zwerg zahlte einen guten Preis. Mit Geldwäsche hatte die ganze Sache vermutlich nichts zu tun. Trotzdem war der Töpfer nicht unglücklich, als der Kurze irgendwann wieder bei ihm auftauchte, weil er genug von den Tellern und Krügen hatte. Ulrich war inzwischen ein gemachter Mann und von den nächtlichen Transaktionen hatte er schließlich nie etwas mitbekommen.

In den folgenden Jahren konnte Ulrich mit Hilfe des erwirtschafteten Kapitals stark expandieren. Weitere Töpfer und andere Handwerker siedelten sich an, und so soll, der Sage nach, Frechen entstanden sein. Zur Erinnerung an das bärtige Männlein oder aus purem Übermut schuf Meister Ulrich den Bartmannkrug.

In Wahrheit hat es aber derart dubiose Geschäfte hier nie gegeben. Das Frechener Töpferhandwerk entstand erst in der Frühen Neuzeit. Die Stadt ist tatsächlich jedoch wesentlich älter. Den Tatsachen entspricht aber das Vorkommen von besonders hochwertigem Ton.

Auch den Bartmannskrug gibt es hier tatsächlich. Das Gefäß mit dem bärtigen Gesicht ist heute Symbol meiner Heimatstadt und war in der Frühen Neuzeit als Gebrauchsgegenstand in ganz Europa verbreitet.

Ein Löffel geht auf die Reise. Verrückt. Weltbekannt. Prominent.

“Töpfer Ulrich” sehr frei nacherzählt aus: Zwischen Dom und Münster. Sagen, Legenden, Märchen und Schwänke aus den Landschaften zwischen Köln und Aachen. Neu erzählt von Paul Weitershagen, Köln, 1973³, S. 15 f.


4 Antworten zu “Teller, Töpfe, Krüge und ein Löffel”

  1. Mein Auge suchte gleich unter dem Post nach den Bildchen, hmmmmm, da gibt es immer so bestimmt ganz leckere Sachen zu sehen. Test für das Hackfleisch-KaPü-Lauch-Gericht morgen.LG claudia o.

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